Emotionen sind nicht unsere Feinde: Teil 1

„Je stärker die innerlich empfundene Emotion ist, desto mehr achten wir darauf, was in unserem äußeren Umfeld sie verursacht hat.“ – Dr. Joe Dispenza

Veröffentlicht am 14. Aug, 2020 1:12:23 PM

Viele Menschen, die diese Arbeit tun, unterliegen dem Missverständnis, dass wir keine Emotionen fühlen bzw. zum Ausdruck bringen sollten; deshalb möchte ich das hier einmal kurz richtigstellen.

Ich habe nie gesagt, dass wir bei einem plötzlichen Verlust, Schock, Rückschlag, Trauma etc. die entsprechenden Emotionen, die mit solchen Vorfällen einhergehen, unterdrücken sollten. Was ich tatsächlich gesagt habe, ist Folgendes: Je stärker die Emotion ist, die wir wegen etwas in unserer Außenwelt fühlen, desto weiter entfernt fühlen wir uns innerlich von der emotional-chemischen Kontinuität unseres normalen Ruhezustands. Man könnte auch sagen. Je stärker die innerlich empfundene Emotion ist, desto mehr achten wir darauf, was in unserem äußeren Umfeld sie verursacht hat. Die betreffende Person bzw. diese Erfahrung – das Ereignis, die Aufregung, die Konfrontation etc. – gewinnt dadurch so viel Macht über uns, dass sie unsere gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt und das Gehirn daraufhin sozusagen einen Schnappschuss dieses Bildes macht. Das ist eine so genannte Langzeiterinnerung, die als holografisches Bild der neuronalen Architektur des Gehirns eingebrannt wird.

Verschiedene Phasen der Trauerarbeit 


Ein Beispiel: Wenn jemand den plötzlichen Tod eines Familienmitglieds erlebt, fühlt diese Person Schmerz und Trauer; das ist ganz normal. Um mit dem Tod dieses Menschen fertigzuwerden, muss sie verschiedene Phasen der Trauerarbeit durchlaufen. Dieser Prozess und die damit verbundenen Gefühle des Verlustes, der Trauer und des Kummers sind ganz normal und natürlich. Ich habe niemals gesagt, dass man diese Emotionen nicht erleben und zulassen sollte.

Probleme gibt es allerdings, wenn jemand in seiner Trauerarbeit feststeckt. Damit meine ich Folgendes: Anstatt diese Trauer zu verarbeiten, also die dazu nötigen Emotionen zu fühlen und so durch das Nadelöhr zu gehen, anstatt sie dauernd zu vermeiden oder zu umgehen, wärmt dieser Mensch diese vertrauten Erinnerungen und Emotionen immer wieder durch alle möglichen Erfahrungen und Interaktionen im Jetzt, im gegenwärtigen Moment, auf. Wenn er weiterhin im Rahmen der eingeschränkten emotionalen „Schublade“ dieser vergangenen Erfahrung lebt, gerät er immer dann, wenn eine bestimmte Erfahrung genau diese Emotionen in unterschiedlicher Stärke auslöst, in diese Trauerschublade der Vergangenheit. Biologisch betrachtet produziert diese Person bei jeder Erinnerung an das Ereignis dieselben chemischen Substanzen in Gehirn und Körper wie wenn dieses Geschehen jetzt im gegenwärtigen Moment ablaufen würde.

Der Körper ist ja objektiv; er ist im Prinzip der unbewusste Geist. Deshalb glaubt er, er erlebe das jetzt im wirklichen Leben. Er glaubt, das Ereignis laufe immer und immer wieder ab. Auf diese Weise zirkulieren im Körper auch immer wieder die Stresshormone, obwohl die Person in Wahrheit in der Gegenwart völlig in Sicherheit ist. Das ständige „Aufwärmen“ des betreffenden Ereignisses und die damit zusammenhängenden Emotionen verankern Geist und Körper in der Vergangenheit – im gegenwärtigen Moment. Man könnte auch sagen, die Person wird in diesem Zusammenhang von der Emotion terrorisiert.

Der Geist sein

Durch das Zusammenbringen eines Gedankens und eines Gefühls, einer Erinnerung und einer Emotion, eines Reizes und einer Reaktion wird der Körper unterbewusst darauf programmiert und konditioniert, der Geist zu sein. Alles was man dann noch braucht ist ein Gedanke, ein Gefühl, eine Erinnerung, eine Emotion, ein Bild oder ein reales Ereignis – und schon wird eine Reaktion ausgelöst. Und der Konditionierungsprozess beginnt von vorne. Passiert dann im Leben etwas Ähnliches, wird dadurch dieselbe automatische emotionale Reaktion hervorgerufen. Und so agieren wir aus sehr vorhersehbaren Gewohnheiten und automatischen Verhaltensweisen heraus, durch die wir uns so fühlen und biologisch so aussehen, als wären wir diese Person aus der Vergangenheit.

Es geht also nicht darum, keine Emotionen zu fühlen. Beobachte einmal ein Kind, welches Enttäuschung, Angst, Frust oder Wut erlebt. Es lebt diese Emotion voll und ganz aus … und dann ist Schluss damit. Was ich damit sagen will, ist: Es ist ganz normal, auf etwas zu reagieren. Die Frage ist: Wie lange lässt du zu, dass du in den Emotionen dieser Reaktion lebst?

Wenn du erst einmal verstehst, wie du auf bestimmte äußere Reize im Wachzustand reagierst – und dann lernst, eine gewisse emotionale Intelligenz an den Tag zu legen und dich rechtzeitig dabei zu ertappen und daran zu hindern, in Trauer, Schmerz, Wut, Angst, Enttäuschung etc. zu verfallen, kannst du einfach deine Verfassung ändern und deine Kraft wieder für dich in Anspruch nehmen. Wenn du es in solchen Momenten schaffst, deine Verfassung bzw. deinen Seinszustand zu verändern, dann bist du dabei, dir eine neue Zukunft zu kreieren, in der du dich nicht mehr von der Vergangenheit definieren lässt. Du tust den Schritt weg von der vertrauten Vergangenheit – dem Bekannten – hin in eine neue Zukunft – das Unbekannte.

Jetzt bist du frei und kannst die Emotionen deiner Zukunft fühlen, noch bevor diese Zukunft eintritt; du kannst dir nun also eine neue Zukunft kreieren, denn die Emotionen deiner Vergangenheit spielen für dein neues Schicksal keine Rolle mehr. Durch das Zusammenbringen einer klaren Intention im Hinblick auf eine neue Zukunft und einer höheren Emotion kannst du Gehirn und Körper auf eine neue Zukunft konditionieren – ähnlich wie wenn man Gehirn und Körper auf eine vertraute Vergangenheit konditioniert.

In Teil 2 erkläre ich, wie wir durch unsere Meditationspraxis über diese Emotionen, die uns in der Vergangenheit festhalten, hinauswachsen können. Also, überwinde deine Vergangenheit, dann sehen wir uns in deiner Zukunft!